Es ist nie zu spät, Journalist zu werden. Oder doch? Muss man nicht schon Chefredakteur der Schülerzeitung gewesen sein, um überhaupt Fuß fassen zu können? Alle Semesterferien mit Praktika und Hospitanzen voll gepackt und zum Abschluss schon einen riesigen Batzen Arbeitsproben haben? Klar, das kann helfen. Doch es geht auch anders. Und auf den Einstieg sollte immer Weiterbildung folgen.
Im Blog von Miss Moneypen erschien vor kurzem der Beitrag „Zu alt für Journalismus“?? Was für ein Quatsch!“ (Artikel nicht mehr online). Jemandem wurde gesagt „mit 27 Jahren sei er einfach schon zu alt, um im Journalismus noch Fuß zu fassen“. Ich kann Miss Moneypen nur beipflichten: Ja, das ist Quatsch. Der Zugang zum Journalismus ist frei. Jeder kann jederzeit, also mit 14, 18, 25, 37, 49, 68 oder auch 83 entscheiden als Journalist zu arbeiten. Unabhängig von Schulbildung, Studium oder Volontariat. Ob es bei einem Späteinsteiger dann mit der ganz großen Karriere klappt, steht auf einem anderen Blatt. Denn je früher man anfängt, desto mehr Erfahrung sammelt man naturgemäß im Lauf der Jahre.
Soll ich nicht doch noch studieren?
Zu diesem Thema hat uns neulich auch eine Mail erreicht, in der jemand um einen Rat für seine berufliche Laufbahn bittet. Konkret möchte die Leserin wissen, wie sie ihre Situation festigen kann und ob ein Studium dabei hilfreich ist.
Lieber Herr Stoppacher,
sie sind sehr hilfreich, Ihre Tipps und Anregung rund um den freien Journalismus. Ich bin selbst freie Journalistin bzw. starte gerade als solche. Ich habe jahrelang als pauschalisierte Redakteurin bei einer grossen, österreichischen Wochenzeitung gearbeitet und mir mein journalistisches Handwerk erarbeitet.
Nun, da für mich grundlegende Dinge im Unternehmen nicht gepasst haben und ich auch nebenbei bei einem Magazin gearbeitet habe, habe ich meine vermeintlich ‘sichere’ Stelle aufgegeben und arbeite seither als freie Journalistin; eben für das Magazin, ein kleines bisschen für die Zeitung und im Pressebereich.
Ich habe ein grosses Netzwerk an Menschen in der Branche. Das hilft mir schon sehr. Trotzdem beschäftigen mich viele Dinge: Wie schaffe ich es, so regelmässig wie möglich für die Kunden zu arbeiten? Soll ich mir sofort eine Homepage bzw. einen Blog zulegen, obwohl ich ja noch nicht soviele Referenzen habe (die Zeitung zähle ich da nicht so sehr, da ich mich im Magazinbereich etablieren möchte).Und eine grundlegende Sache: Soll ich nicht doch noch studieren? Mein damaliges Studium habe ich zugunsten meiner Stelle bei der Zeitung aufgegeben. Geraten wurde mir zu einem Publizistikstudium, andere raten einem hingegen wieder ab davon. Journalistische Ausbildungen sind eher rar bei uns in Österreich. Einen tollen Lehrgang hätte ich gefunden, es gibt aber wieder Menschen, die meinen: Warum Journalismus studieren, es gibt eh kaum Arbeit?
Ich persönliche lebe bereits ein Stück weit meinen Traum. Jetzt gilt es, die richtigen Schritte zu wählen. Über einen Rat wäre ich sehr dankbar.
Liebe Grüsse aus NÖ
(Name bekannt)
Meine Antwort:
In einer Branche wie dem Journalismus kann kein Rat richtig oder falsch sein. Das gilt insbesondere für so Grundlegendes wie ein Studium. Es gibt viele sehr gute Journalisten, die nie studiert haben und es gibt viele mit sehr guten Studienabschlüssen, die aber keine guten Journalisten sind. In unserer Branche zählen im Prinzip die bisherigen Arbeiten mehr als der akademische Abschluss. Mich hat jedenfalls noch nie ein Auftraggeber direkt nach meinem Studium gefragt. Deshalb würde ich nicht dazu raten, ein Journalistik-Studium zu beginnen, wenn Sie schon als Journalistin gearbeitet haben. Stecken Sie die Energie dann lieber in den Aufbau der Selbstständigkeit.
Wenn Sie bislang schon für einen Kunden arbeiten, hängt es natürlich von dessen Bedarf ab, ob er noch weitere Aufträge für Sie hat. Dazu ist es erforderlich, dass Sie den Bedarf kennen. Sprechen Sie den Kunden ruhig direkt an, ob er noch mehr Texte braucht. Und noch wichtiger: Seien Sie kreativ und entwickeln Sie viele Ideen, die zum Kunden passen. Wenn dieser ablehnt, können Sie diese Idee immer noch bei einem anderen Medium probieren. Ich sehe mich selbst als Problemlöser für meine Kunden. Lösen Sie die Probleme Ihres Kunden und Sie haben regelmäßig Aufträge und werden zusätzlich als besonders kreativ und kompetent in Erinnerung behalten.
Bloggen sollten Sie, wenn Ihnen das Spaß macht und es etwas gibt, worüber Sie gerne regelmäßig schreiben wollen und können. Es ist praktisch, wenn das Thema Ihres Blogs sich in der Nähe Ihrer journalistischen Kompetenz verorten lässt. Also in Ihrem Fall: Geschichten und Themen, wie sie auch in einem Magazin stehen könnten. Verwerten Sie im Blog zum Beispiel „Rechercheabfälle“ oder schreiben Sie kleine Anekdoten über Ihre Arbeit.
Gerne beantworten wir solche Fragen, E-Mail genügt.
Lebenslanges Lernen gehört dazu
Vor zehn Jahren war ich mitten in meinem Journalismus-Studium. Online war da so ein Randthema und von Social Media hatte noch keiner gehört. Nach zwei Jahren im Beruf kam das so langsam auf. In den Seminaren, die ich regelmäßig gebe, merke ich immer, wie viele Kollegen mit allem, was in ihrer eigenen Ausbildung nicht dran kam, noch fremdeln. Und wohlgemerkt, die, die im Seminar sitzen, haben die Notwendigkeit erkannt, sich damit auseinander zu setzen. Ich lese kaum noch eine Stellenanzeige für Journalisten – von den wenigen, die es überhaupt gibt – in der nicht explizit nach Online- und Social Media-Kenntnissen gefragt wird. Wer die nicht hat, muss sie sich besorgen, also wieder die Schul- respektive Seminarbank drücken.
Darüber, was man als Journalist noch alles lernen sollte, gehen die Meinungen auseinander. In unserer Blogparade „Was Journalisten heute lernen müssen“ sind wir dieser Frage vor einiger Zeit nachgegangen.
„Besondere Bildungsmuffel: Männer über 40…“
Christian Jakubetz hat neulich über eine Studie aus Österreich geschrieben. Demnach sind männliche Journalisten über 40 Bildungsmuffel, die das Thema Weiterbildung konsequent ignorieren. Das lässt sich zwar nicht so einfach auf Deutschland übertragen, wie Jakubetz ebenfalls schreibt, aber wenn ich mir die Teilnehmer meiner Seminare ansehe, bestätigt sich das Bild. Überwiegend Frauen, überwiegend über 40.
Vielleicht bilden sich Männer aber gar nicht institutionalisiert weiter. Ich mach das selbst nicht. Wenn ich etwas lernen will, lese ich solange im Netz rum und probier es aus, bis es funktioniert. Aber ich bezeichne das für mich als Weiterbildung, weil ich danach meistens etwas (besser) kann, was ich vorher noch nicht konnte.
Weiterbildung ist ein Muss
Im Alltag ist Weiterbildung oft zwischen Zeitnot, Akquisebemühungen und Privatleben nicht leicht zu integrieren, gerade für Freie Journalisten. Und für sie gibt es auch kaum Förderungen und Unterstützung. Darüber hat sich auch Bettina in ihrem Blog beklagt. Sie hat Recht. Unsere Gesellschaft im Allgemeinen und unsere Branche im Speziellen fordert lebenslanges Lernen. Dann müssen wir auch Angebote machen, die das zulassen und zum Beispiel bei Stipendien Altersbegrenzungen (egal ob nach oben oder nach unten) aufheben.
Das kann ich nur bestätigen (auch wenn ich mit dem Thema Moderation in einer „Spezialecke“ des Journalismus unterwegs bin): Weiterbildung ist unglaublich wichtig und „lebenslanges Lernen“ ist nicht nur eine Phrase sondern sollte von jedem Journalisten in die Tat umgesetzt werden!