Ingrid fragte uns:
Könntest Du vielleicht in Fit für Journalismus mal das Thema VG Wort angehen. Aktuell: Ich habe von meinem Verlag (Buchverlag) einen langen Brief bekommen und eine Verzichtserklärung, die ich an VG Wort senden soll. Ich habe einerseits kein Interesse daran, kleine Verlage kaputt zu machen, andererseits weiß ich überhaupt nicht, was das finanziell für mich bedeuten würde. Ich bin ziemlich hilflos mit zwei Seelen in meiner Brust. Ich dachte, ich bin bestimmt nicht die einzige, die dieser Tage einen solchen Brief erhält. Viele haben ja Reisebücher oder andere Fachbücher geschrieben. Ihr von Wirtschaft verstehen und Fit für Journalismus scheint immer den Durchblick zu haben, der uns anderen fehlt.
Um ganz ehrlich zu sein, liebe Ingrid: Nein, ich habe den Durchblick auch nicht. Der Streit um die VG Wort ist in der Zwischenzeit sehr komplex geworden, und ich habe das Gefühl, als ob da viele Parteien versuchen, sich mit Forderungen oder Nicht-Forderungen ins rechte Licht zu stellen. Wozu das am Ende führen wird, weiß keiner.
Im September 2016 gab es im DJV-NRW journal einen Artikel, der die Sache bis zu diesem Zeitpunkt gut erklärt hat. Doch seither ist schon wieder viel passiert. Du bist aber tatsächlich nicht die einzige, die eine Verzichtserklärung bekommen hat. So hat neulich die Süddeutsche ihre Autoren aufgefordert, die Verzichtserklärung zu unterschreiben. Und auch ich habe von einem Buchverlag einen langen Brief bekommen, an den bereits ein teilweise vorausgefüllte Verzichtserklärung angeheftet war.
Um welche Summe geht es denn?
Um ganz ehrlich zu sein: Ich wusste auch nicht so recht, was ich damit anfangen sollte. Der Verlag hat mir noch nie einen so langen Brief geschrieben. Und natürlich hat er Recht damit, dass das Buch ohne ihn und die dort beschäftigten Mitarbeiter nie auf den Markt gekommen wäre. Andererseits ist es ein großer Verlag, von dem ich ausgehe, dass er seine Finanzen auch ohne VG Wort Tantiemen im Griff haben sollte. Davon abgesehen geht da auch ein recht ketzerischer Gedanke durch meinen Kopf: Hätte der Verlag das Buch nicht herausgebracht, gäbe es heute viele andere Möglichkeiten, es zu veröffentlichen.
Ich habe mich daraufhin mit Corinna Blümel, Vorsitzende der Kölner Journalistenvereinigung, unterhalten. Sie gab mir den Rat, doch einfach mal in die Abrechnungen von 2012 bis 2015 zu schauen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, um welche Summen es denn überhaupt gehen könnte. Außerdem machte sie mich auf ein PDF der VG Wort aufmerksam, indem die Zusammenhänge erklärt werden, und in dem auch steht, wie man Ansprüche besser abschätzen kann. Wenn ich es richtig nachvollzogen habe, geht es in Zusammenhang mit diesem Verlag bei mir um etwa 800 Euro. Für mich durchaus eine nette Summe. Für den Verlag sollte es ein Klacks sein. Andererseits wird natürlich aus einem Klacks eine große, große Summe, wenn kein Autor auf dieses Geld verzichten möchte.
Anonymisiertes Verzichterklärungsformular
Damit sind wir beim Thema Beziehungen: Wie ist das Verhältnis zum Verlag? Wie lief die Zusammenarbeit? Wie groß ist der Verlag? Wie viele Bestseller hat er im Programm? Ich denke, darüber sollte sich jeder Autor, der aufgefordert wird, die Verzichtserklärung abzugeben, Gedanken machen.
Corinna gab mir noch einen Tipp: Von der VG Wort gibt es ein anonymisiertes Verzichtsformular. Damit kann nicht nachgehalten werden, welche Autoren verzichtet haben, und welche nicht. Corinna schlägt außerdem vor, den Verlag kurz und höflich darüber zu informieren, dass man sich zunächst eine Meinung bilden möchte und dann gegebenenfalls direkt die VG Wort mit deren Formular informieren wird.
Weitere Informationen gibt zum Thema es im Blog von Ulf Froitzheim, der für den DJV in den VG-Wort-Gremien sitzt. Auch auf der Seite des DJV gibt es einen Beitrag dazu, wie man mit der Verzichtserklärung umgehen könnte.
Langer Rede kurzer Sinn: Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er dieses Formular ausfüllt und zurückschickt oder nicht. Mit diesem Text haben wir dir aber hoffentlich einige Anregungen gegeben, in welche Richtung du denken solltest, um eine für dich passende Entscheidung zu treffen.
In eigener Sache
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Als derjenige, der das Urteil „Verlegeranteil“ für die Urheber erstritten hat, möchte ich zu den Fragen der Journalisten, die sich in diesem Blog etwas ratlos zu Wort gemeldet haben, Stellung beziehen. Fakt ist, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche nach dem nationalen und dem europäischen Urheberrecht allein den Urhebern zustehen. Die Verleger haben weder aus eigenem noch aus abgeleitetem Recht derartige Ansprüche. Das ist so, seitdem 1965 Vergütungsansprüche in das Gesetz aufgenommen haben. (…) Auch die andere Seite zu Wort kommen lassen hat allerdings die kleine, aber feine Website „Perlentaucher.de“, die im Interesse freier Berichterstattung in die Bresche gesprungen ist. Dort abrufbar konnte ich aus meiner Sicht der Dinge zu einer umfassenden Meinungsbildung beitragen.
Dr. Martin Vogel
Lieber Herr Vogel,
Sinn von Fit für Journalismus ist es, den kollegialen und konstruktiven Austausch unter Kollegen zu fördern. Was wir nicht unterstützen, sind Schuldzuweisungen oder Beleidigungen, denn sie helfen niemandem weiter. Davon abgesehen ist das Internet bereits voll genug mit Bösartigkeiten. Sie haben darum sicherlich Verständnis dafür, dass ich einen großen Teil Ihres Kommentars gekürzt habe, erkenntlich an „(…)“. Die dort getroffenen Aussagen waren außerdem nicht relevant für die Fragestellung des Artikels: Wie gehe ich mit der Verzichtserklärung um? Das Urteil mag zwar die Grundlage für die Verzichtserklärungen sein, die jetzt verschickt werden, doch es steht nicht im Vordergrund. Die Geschichte zum Urteil kann an vielen Stellen im Internet leicht nachgelesen werden, sie muss hier nicht erneut erzählt werden.