Viele unserer Leserfragen stammen von jungen Menschen, die am Ende ihrer Schulzeit überlegen, ob sie einen Weg in die Medien einschlagen sollen. Ab und zu kommen die Fragen von (immer noch jungen) Menschen, die bislang etwas anderes machen, obwohl ihr Herz schon immer für den Journalismus schlägt. Was ich aus den Zuschriften spüre, ist die latente Befürchtung, das bislang Erreichte aufzugeben, aber es anschließend im Journalismus „nicht zu schaffen.“
Lohnt sich eine Journalismus-Ausbildung?
So schrieb neulich beispielsweise Lisa-Marie:
Im Sommer 2016 habe ich meine Berufsausbildung als Industriekauffrau in einem Lebensmittelbetrieb abgeschlossen und arbeite seit dem in der Abteilung Vertrieb und bin gerade mal 22 Jahre alt. Allerdings hat mich schon seit längerer Zeit der Beruf als Journalistin interessiert. Selbst wenn es in der Schule bloß um Aufsätze oder Recherchen mit einem anschließenden Bericht ging war ich immer ganz vorne dabei und hatte auch Spaß an der Sache.
Seit kurzem schreibe ich „nebenberuflich“ Artikel bei der ortsansässigen Lokalzeitung. Das heißt: ich bekomme Aufträge aus der Redaktion und fahre zu lokalen Veranstaltungen, schreibe anschließend einen Bericht und treffe einen Vorentscheid der geknipsten Fotos. Zwei mal ist das Ganze bislang passiert und es wurde mein geschriebener Text FAST 1:1 übernommen – das heißt doch erst einmal, dass es gar nicht so schlecht gewesen sein kann, oder? Ich habe leider noch kein „ordentliches“ Feedback erhalten.
Jetzt meine Frage an Sie: ist es möglich auch in einem bekannteren/größeren Verlag ohne entsprechende Ausbildung oder entsprechendem Studium einzusteigen? Oder ist es überhaupt von Vorteil ein Studium zu machen? Ich habe mal den Tipp bekommen, dass wenn man studieren möchte, sollte man eher ein Sachgebiet auswählen anstelle eines generellen Journalismus-Studiums, da „jeder das Schreiben lernen kann“. Man könnte jetzt meinen „ach, du bist doch noch so jung, probiere doch einfach mal ein Studium aus“ – solche oder so ähnliche Aussagen habe ich schon oft zu hören bekommen. Allerdings würde ich kein Studium anfangen wollen, um nachher ohne Job und einem Berg voll Schulden dazustehen.
Haben Sie vielleicht einen Rat für mich?
Wie man im Journalismus Fuß fasst
Klar, habe ich den:
Zunächst einmal ist es doch toll, dass Du schon einen Fuß in der Tür hast und schon ein paar Artikel veröffentlicht hast. Du hast jetzt erstmal zwei Möglichkeiten:
- Du schreibst weiterhin nebenberuflich und gehst tagsüber deinem Hauptjob nach. Dann hast Du eine Arbeit für Deinen Broterwerb und einen Nebenjob für Deine Leidenschaft. Du wirst bei der Lokalzeitung ja nicht kostenlos gearbeitet haben. Rechne Dir doch mal aus, wieviel Stunden Du mit Anfahrt, Recherche, Schreiben, Bildauswahl usw. dafür gebraucht hast und wieviel Geld es für den Artikel gab. Ich behaupte, dass das ein ziemlich miserabler Stundenlohn sein wird. Vom Schreiben leben ist zumindest im Lokalen sehr schwer. Wenn Dir das aber so im Verhältnis Hauptjob/Nebenjob ausreicht, mach das so weiter.
- Nun wird es komplizierter: In der Tat, mit 22 bist Du jung. Du kannst theoretisch die Karten nochmal komplett neu mischen. Ob das in Richtung Journalismus gehen soll, musst Du selbst entscheiden. Nun muss sich dank Bafög, Stipendien etc. niemand für ein Studium in Deutschland stark verschulden, insofern sollte das nicht das ausschlaggebende Argument contra Studium sein. Es gibt auch viele Möglichkeiten sich nebenberuflich weiterzubilden, z.B. durch ein Fernstudium oder durch ein Teilzeitstudium. Im Journalismus kommt es nicht so sehr darauf an, was man studiert hat. Ein Fachstudium wie z.B. BWL ist je nach Themengebiet oft hilfreicher als ein Journalismus- oder sonst ein Irgendwas-mit-Medien-Studium. Es gibt auch den einen oder anderen Fall, da haben Journalisten gar nicht studiert – und machen dennoch gute Arbeit, weil in der Tat jeder Schreiben lernen kann. Oder Radio machen, oder TV…
Es gibt auch Verlage und Journalistenschulen, die für ein Volontariat kein Studium voraussetzen. Lies mal diesen Artikel dazu.
Ist Lokaljournalismus das Richtige?
Was rate ich Dir nun abschließend? Mach doch vielleicht nochmal ein paar Monate den „Nebenjob“ – dann hast Du auch ein paar aussagekräftige Arbeitsproben, die Du bei einer Bewerbung nutzen kannst. Vielleicht nervt das Reportersein immer abends und am Wochenende Dich irgendwann? Ich habe drei Jahre Lokaljournalismus in der Eifel gemacht. Die Jahre hatten immer den gleichen Rhythmus zwischen Schützenfest, Jubiläen und Karneval. Irgendwann hat man alles gesehen. Das wollte ich nicht den Rest meines Lebens machen. Wenn Du merkst, dass Du vom Schreiben nicht genug bekommen kannst, sieh Dich nach dem Plan B um. Und mach Dir um Sachen wie Geld fürs Studium erstmal keine Gedanken (sagt sich leicht, weiß ich selbst). Aber mit Leidenschaft wird es funktionieren!
Vom Informatiker zum Sportjournalist
Auch Stefan sitzt schon fester im Berufssattel:
Ich bin 29 Jahre alt und verfüge über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Informatikkaufmann. Mehrjährige Berufserfahrung ist ebenfalls vorhanden.Im Laufe der Zeit, habe ich mein Talent und meine Vorliebe für den Sportjournalismus entdeckt. Und genau hier tritt mein Problem auf:
Da ich lediglich über einen Abschluss der Realschule verfüge, wäre für mich ein weiteres Jahr Fachabitur zwingend erforderlich um ein Studium beginnen zu können. Der innere Wunsch mein Ziel zu erreichen, ist jedoch so groß, dass mir diese Zeitspanne als „zu lang“ erscheint. Da ich ein großer Eishockeyfan bin, habe ich mich auf diesen Bereich spezialisiert und betreibe einen privaten Blog zum Thema. Zusätzlich habe ich bereits für verschiedenste Eishockeymagazine ehrenamtlich Artikel geschrieben oder Interviews geführt.
Nach reiflicher Überlegung möchte ich nun den nächsten Schritt gehen um mein Ziel zu erreichen. Ich bin jedoch ratlos im Bezug auf mein weiteres Vorgehen. Wäre der Weg über ein Volontariat mit parallelem Studium an der „Freien Journalisten Schule“ eine kluge Variante?
Meine Antwort:
Die Frage, die sich mir zunächst stellt: Willst Du hauptberuflich Journalismus machen oder soll das als eine Nebenbeschäftigung bleiben/stärker werden?
Beim Hauptberuf muss ich sagen: Wenn Du nicht absolut todünglücklich in deinem Informatikerjob bist, lass es. Da sind die Chancen einfach wesentlich besser. Ansonsten kostet es jede Menge Aufwand, vom Journalismus leben zu können. Du weißt selbst, wie klein die Nische Eishockey ist zum Beispiel im Vergleich zu Fußball. Als (Sport-)Journalist müsstest Du also sehen, dass Du noch weitere Sportarten beackerst.
Ein Volontariat bei einem Sportmagazin erscheint mir zwar sinnvoll, aber ich fürchte, dass Du ohne Studium keins bekommen wirst. Wenn Du aber wirklich zu 100% für Dein Thema brennst und das in einer Bewerbung, die am Besten noch weitere Arbeitsproben enthält, rüber bringst – nichts ist unmöglich. Die Fernstudien parallel zum Volo sind meiner Meinung nach nicht sinnvoll, weil Du im Volo eigentlich das Gleiche lernst bzw. lernen solltest.
Sinnvoller erscheint mir, Du bleibst erstmal in Deinem Job, bildest Dich weiter (z.B. mit einem Fernlehrgang, für den Du ja kein Abitur brauchst), schreibst einfach mal mehr drauf los und – wenn Du dann immer noch in den Journalismus wechseln willst – suchst Du Dir in der Branche was. Vielleicht brauchst Du dann gar kein Volo mehr…
Wenn Du sowieso nur nebenberuflich journalistisch arbeiten möchtest, tu es einfach. Übung macht den Meister, ist wie beim Sport.
Es ist nie zu spät für Journalismus
Es gibt nicht den goldenen Weg in den Journalismus. Es geht mit Studium und ohne, mit Volontariat und ohne – es geht meiner Meinung jedoch nicht ohne Herzblut und Leidenschaft. Wenn man das mitbringt (und noch ein paar klassische Tugenden), kann man im Journalisms erfolgreich sein. Egal ob hauptberuflich oder eben als Nebenjob.
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