Edda fragt in einem Kommentar zum Artikel Honorarverhandlungen:
„Was sind die ‚richtigen’ Argumente bei der Preisverhandlung? Wenn es also ein paar realistische Tipps zur Verhandlungsführung geben würde, würde das sicher nicht nur mich freuen. Und zwar solche Tipps, mit denen man gerne auch mal an einem Redakteur der Öffentlich-Rechtlichen ‚vorbeikommt’, der sagt: ‚Also 250 Euro ist das Maximum, das wir pro Tag zahlen’.“
Meine Antwort:
Ich muss leider zugeben, dass ich selbst nicht gerne verhandle. Zum Glück muss ich es in aller Regel auch nicht tun: Meine Kunden sind meistens sehr fair. Es ist mir mehrmals passiert, dass sie mich baten, höhere Honorare in Rechnung zu stellen, als ich für angebracht gehalten hätte.
Der Kunde bekommt, was er bezahlt
Davon abgesehen bekommen Kunden von mir das, was sie bereit sind zu bezahlen. Mein Stundensatz liegt derzeit bei mindestens 75 Euro. Das ist für einen Journalisten mit zwei abgeschlossenen Studiengängen und 20 Jahren Berufserfahrung keineswegs zu viel. Zum Vergleich: Die drei Dienstleister und Handwerker, die im vergangenen Jahr bei uns waren, um die Ameisenstraße zu entfernen, die Glastür einzusetzen und den Boden zu fliesen, hatten alle einen Stundensatz von 50 Euro plus 19 Prozent Mehrwertsteuer. Das macht also 59,50 Euro. Journalisten sollten mindestens genau so viel verdienen. Tagessätze von um die 200 Euro sind inakzeptabel.
Mit dem Festlegen meines Stundensatzes weißt ich: Wenn mir ein Kunde pauschal 230 Euro für einen Artikel bezahlen möchte, darf ich nicht mehr als rund drei Stunden Arbeit investieren. Sonst habe ich meinen Stundensatz nicht erreicht. Da ich aus Erfahrung weiß, dass ich etwa eine Stunde schreiben werde, bleiben also noch knapp zwei Stunden für die Anrecherche, ein Telefongespräch und eventuell eine Zitatabstimmung sowie eine Nachbesserungsschleife, falls der Kunde das wünscht. So lässt sich ganz gut kalkulieren.
Einfach mal NEIN sagen
Außerdem habe ich gelernt, dass ein Nein durchaus dabei hilft, ein höheres Honorar zu bekommen. Neulich fragte mich ein Kunde, ob ich für 350 Euro an einem Samstag an einem langen Wochenende ein Seminar geben wollte. Nein – war meine Antwort. Ich schrieb, dass mein Tagessatz in aller Regel und mit nur wenigen Ausnahmen schon lange bei mindestens 500 Euro unter der Woche liegt, und dass Wochenendarbeit besser bezahlt sein müsse. Dann hörte ich sehr lange nichts mehr von diesem Kunden. Schließlich schickte er mir eine Mail und bot mir 800 Euro. Jetzt habe ich zwar etwas mehr Vorarbeit, aber so passt es für beide Seiten.
In einem anderen Fall habe ich zwei Jahre lang einen Vertrag nicht unterschrieben. Als den Chefredakteur die Zeit drängte, bot er mir ein höheres Honorar pro Artikel an. Damit bin ich zufrieden.
Den Mehrwert kenntlich machen
Weil ich aber nicht wirklich weiß, welche Argumente bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ziehen, habe ich Marcus Lindemann gefragt. Ihn kenne ich noch aus der Zeit, als ich für die Redaktion WISO im ZDF gearbeitet habe. Marcus ist geschäftsführender Autor bei Autorenwerk in Berlin und arbeitet außerdem als Dozent. Autorenwerk macht hauptsächlich Wirtschafts- und Verbraucherbeiträge – unter anderem für ARD und ZDF.
Gibt es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wirklich keine Möglichkeit, das Honorar zu verhandeln?
Doch, die gibt es. Im Regelfall gibt es Minutenpreise für Formate und Sendeplätze oder Tagespauschalen. Dabei gibt es oft ein Mindest- und ein Höchsthonorar. Wer nicht danach fragt, wie groß die Spanne ist, wird selten das höchste Honorar bekommen. Ein Blick in den Honorarleitfaden/Tarifvertrag hilft ungemein.
Und wenn man bereits den Höchstsatz bekommt?
Dann kommt es darauf an, welchen Mehrwert man leistet. Haben wir einen erhöhten Rechercheaufwand, so versuchen wir, den geltend zu machen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn jemand aufwändig verdeckt recherchiert oder etwas testet. Oft können wir dann einen zusätzlichen Tag für Recherche anrechnen.
Außerdem machen Autoren bei journalistischen Produktionen vieles, das in den Kalkulationsschemata der Sender auf andere Gewerke entfällt: Locationscouting, Requisite, Casting, Aufnahmeleitung. Wenn diese Arbeit nachvollziehbar gemacht wird, kann das viel leichter kalkuliert werden als ein höheres Autorenhonorar.
Als letztes Mittel bleibt sonst immer noch, entweder die Länge des geplanten Beitrags zu erhöhen oder aber für eine Zweitverwertung im Sender zu sorgen, die ein zusätzliches Honorar, entweder nach Sendeminuten oder nach Zeitaufwand für Umschnitt und neuen Text, möglich macht. Wichtig ist auch darauf zu achten, dass Kosten ersetzt werden – Spesen, Reisen zu Besprechungen oder zur Abnahme
Und wie ist das, wenn jemand auf Tagesbasis beispielsweise für die Aktuellen arbeitet?
Das ist meist schwieriger. Hier hilft es zunächst, zu hören, was die anderen bekommen. Gibt es zusätzliche Vorbereitungs- oder Recherchehonorare? Ist das wirklich der Höchstsatz? Ist der Reporter im Bild, kann dafür oft ein höherer Tagessatz vereinbart werden. Ebenso wenn der Reporter als VJ selbst dreht oder Material beisteuert.
Und was immer hilft: Das Angebot verknappen – nicht jeden Termin möglich machen, auch mal bei einem anderen Sender oder einem Produzenten arbeiten. Wenn eine Redaktion sieht, dass jemand auch woanders gefragt ist, erhöht das im Idealfall das Honorar. Vorsichtig muss man aber bei der Präsenz vor der Kamera sein, da bestehen viele Sender auf Exklusivität.
Außerdem lohnt es sich auch hier zu fragen, welche Kosten übernommen werden. Wenn man nicht fragt, wird sicherlich niemand auf die Idee kommen, beispielsweise um eine Reisekostenabrechnung zu bitten.