Journalisten und PR – das ist ja immer so’ne Sache. Ich wollte das Buch Crashkurs Public Relations von Marion Steinbach (Werbe-Link zu Amazon*) trotzdem lesen. So ein heimlicher Blick auf die andere Seite kann schließlich nie schaden. Vielleicht kann man dabei etwas lernen. Mich interessierte an dem Buch natürlich besonders, wie die Autorin die sozialen Medien in die PR einbindet. Darum freute es mich auch, dass es ein kurzes Kapitel zu Blogger Relations gibt. Dort allerdings wird eine zauberhafte Wunderwelt aufgebaut: Die Gefahr, dass ein Blogger negativ über einen Kooperationsunternehmen schreibt, dürfte gering sein. Denn dann hat er für die Zukunft einen Kooperationspartner weniger. Und auch, dass Blogger ihre Kooperationen kennzeichnen, stimmt so generell nicht. Im Gegenteil ist Schleichwerbung in Blogs leider keine Ausnahme. Auch Fit für Journalismus bekommt regelmäßig Anfragen für Kooperationen, die nicht gekennzeichnet werden sollen. Machen wir natürlich nicht.
Crashkurs Public Relations: Bloggerverzeichnisse
Ich habe mich auch etwas näher mit den Bloggerverzeichnissen beschäftigt, in denen Firmen Influencer finden können sollen. Und ich war ein wenig enttäuscht: Eine URL war falsch, es ist eine .com- und keine .de-Adresse. Außerdem sollte man auf dieser Seite die Mailadresse im Impressum anschreiben, um ins Verzeichnis aufgenommen zu werden. Dort ist vom Betreiber jedoch keine Mailadresse hinterlegt, sondern lediglich vom Domaininhaber. Und eine andere vorgeschlagene Seite schreibt, dass die Blogs zuletzt im Februar 2014 geprüft worden seien. Da muss man als Blogger nicht gelistet sein beziehungsweise als PRler nach guten Blogs suchen.
A propos Blog: Ganz gut gefällt mir das Kapitel zu den Corporate Blogs. Hier gibt es handfeste Argumente, warum man ein Corporate Blog haben sollte, und auch Tipps dazu, wie man solch ein Projekt am besten angeht. Den Hinweis, jeden Beitrag mit einer Handlungsaufforderung abzuschließen, finde ich aber ehrlich gesagt überzogen. Zwar liest man das an vielen Stellen, aber ich finde es blöd, wenn jeder Text gleich endet. Leider kann ich auch auf keinem meiner Blogs eine signifikante Zunahme der Interaktion verzeichnen, wenn ich bei den Berichten eine Handlungsaufforderung einbaue. Der Kollege Mike Schnoor hat sich auf haufe.de übrigens gerade gegen Unternehmens-Blogs ausgesprochen.
PR und social media
Richtig gut gefällt mir dagegen eine kurze Übersicht zum Thema Recht: Dabei geht es zum Beispiel um Bilder und Menschen, und um die Frage, ob diese Bilder in sozialen Netzwerken geteilt werden dürfen. Positiv finde ich auch, dass die Autorin auf Xing eingeht – frei nach dem Motto: Totgesagte leben länger. Ich finde es nämlich ganz erstaunlich, wie lange es Xing schon gibt, und dass es sich so lange schon gegen LinkedIn behaupten kann. Außerdem habe ich bei einem Bekannten mitbekommen, der einen neuen Job suchte, wie wichtig in dieser Phase Xing war: Dort bekam er nahezu wöchentlich Post von Personalberatern und ab und zu Gespräche mit Unternehmen, während auf LinkedIn in dieser Zeit überhaupt nichts passierte. Interessant war auch, dass sich viele Unternehmen, mit denen er in dieser Zeit Kontakt hatte, dort ein Bild von ihm machten. Und auch er nutzte Xing, um sich über die entsprechenden Firmen und Mitarbeiter zu informieren. Darum lautet mein Xing-Fazit: Selbst wenn das Netzwerk etwas Staub angesetzt hat, es ist sinnvoll für Firmen, den Auftritt dort bewusst zu gestalten.
Auch dass Instagram und Pinterest als PR-Kanäle angesprochen werden, finde ich gut. Allerdings ist mir das Buch hier an einigen Stellen nicht konkret genug: „Binden Sie Instagram als Reiter in Ihre Facebook-Page ein“ . Ähm. Ja gerne. Aber wie denn? Hier fehlt der Nutzwert des Buches, insbesondere wenn man bedenkt, dass es sich ja eigentlich an Einsteiger richtet. Ich hab’s trotzdem herausgefunden und zumindest auf meiner kleinen Reise-Facebook-Seite eingebunden. Bin aber nicht sicher, ob es wirklich so wichtig ist, wie es hier heißt.
Beim Kapitel zu Twitter kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass der Aufruf zur Interaktion längst nicht so viel bringt, wie hier versprochen wird. Das gilt auch für Retweets und Co. Im Unterkapitel zu Facebook fehlt mir der Hinweis auf den höchst eigenwilligen Algorithmus, der es nahezu unplanbar macht, dort nachhaltig für sich PR zu machen. Dieser Algorithmus wird übrigens auch ständig überarbeitet, was die Sache nicht erleichtert.
Die Zusammenarbeit mit Journalisten
Richtig gut finde ich das Kapitel zur Krisenkommunikation. Meine Erfahrung ist, dass Unternehmen dieses Thema häufig nicht ernst genug nehmen. Darum sind die Anleitungen für den Ernstfall prima. Wobei natürlich ein Krisenkoffer mit Handys und Akkus nur dann etwas bringt, wenn selbige regelmäßig aufgeladen werden – so wie auch die dafür vorgesehenen Notebooks. Auch die Hinweise für die Onlineauftritte, nämlich eine Dark Side für den Notfall parat zu haben und die sozialen Kanäle bei der Kommunikation nicht zu vergessen, sind gut. Was fehlt, sind Hinweise für die Krise im Netz, den so genannten Shitstorm.
Viel zu lang finde ich dagegen das Kapitel Events, in dem es unter anderem um Pressekonferenzen und -gespräche geht. Was ich dort lese, erheitert mich: Wer geht denn noch zu Pressekonferenzen? Auf den wenigen, auf denen ich in den vergangenen zwei, drei Jahren war, war meist für etwa 50 Leute eingedeckt – da waren aber unter 10. Umso öfter passiert es mir, dass Agenturen und PR-Leute mich fast anflehen, zu einer Konferenz oder einem Gespräch zu kommen. Aber wozu, wenn mich das Thema nicht wirklich reizt? Mir zahlt niemand die Zeit, ich kann das Gehörte in der Regel nicht verkaufen. Da hat auch das Unternehmen nichts davon. Deutlich sinnvoller finde ich da Live-Streams, gerne auch als Hangout, dann fallen wenigstens Reisezeit und -kosten weg.
Witzig finde ich auch den Hinweis, Pressemappen zu verteilen, denn die landen bei mir in aller Regel direkt im Müll, falls ich sie überhaupt mitnehme. Dafür ist der Druck und das Material zu schade. Viel toller fand ich da ein personalisiertes Notizbuch, das ich Anfang des Jahres auf einer Veranstaltung von DigitasLBI bekommen hatte. Leider ist es schon voll geschrieben. Aber ich wurde von vielen Kollegen heiß darum beneidet.
Besser selbst senden
Auch mit USB-Sticks mit PR-Material kann ich nicht viel anfangen: Ich stecke ungern USB-Sticks von anderen an meine Geräte. Und noch eine Sache amüsiert mich: Einladungen zu Pressereisen per Schneckenpost – habe ich seit Jahren nicht mehr bekommen. Fände ich ehrlich gesagt auch Papierverschwendung. Interessant ist auch die Ansicht zum Thema Pressemeldungen: Sie sollten erst auf der eigenen Internetseite veröffentlicht werden, nachdem Journalisten Zeit hatten, diese aufzunehmen und zu veröffentlichen. Das sehe ich ganz anders. Aber das liegt auch daran, dass ich der Meinung bin, Journalisten sollten Pressemitteilungen nie übernehmen. Sie können sie von mir aus als Grundlage für eine weiterführende Recherche nutzen. Aber grundsätzlich finde ich es unjournalistisch, Pressemitteilungen einfach so wie sie sind, zu veröffentlichen.
Damit kommen wir aber auch wieder an den Anfang zurück: Im Web X.0 ist jeder sein eigener Sender. Unternehmen könnten viel effektiver direkt mit ihrer Zielgruppe interagieren. Sie müssen Journalisten nicht als Multiplikatoren zwischenschalten. Darum bin ich auch recht skeptisch, wenn ich im Buch lese, die Berichterstattung durch Journalisten sei ein Qualitätssiegel. Nun ja, nahezu die Hälfte der Deutschen sieht das derzeit nicht so und beschimpft uns – sehr zu Unrecht – als Lügenpresse. Davon abgesehen wären Medien, die Pressemitteilungen einfach so veröffentlichen, auch tatsächlich keine Qualitätsmedien. Auch regional oder lokal braucht man für PR nicht mehr ernsthaft klassische Medien: Es gibt in vielen Orten Blogger, die sich über Kooperationen freuen und extrem viele Leser haben. Von den im Buch gelobten Fachzeitschriften höre ich häufig, dass dort sehr oft Texte erscheinen, die sich ihren Platz erkauft haben. Aber vielleicht ist auch genau das der Grund, warum sie in einem Buch über PR gelobt werden.
Zum Schluss
Sehr gut gefällt mir übrigens der Buchaufbau. Man kann, muss aber das Buch nicht von vorne bis hinten lesen. Die einzelnen Kapitel verweisen wenn nötig auf ausführlichere Erklärungen in anderen Kapiteln. Das macht aus dem Buch zugleich auch ein Nachschlagewerk.
Mein Fazit: Als Journalistin denke ich oft, nicht viel über die PR-Kollegen zu wissen. Stimmt nicht, stelle ich fest, denn eigentlich stand für mich nicht viel Neues in dem Buch. Alles in allem gibt es aber Einsteigern sicherlich einen guten Ein- und Überblick, auch wenn ich viele Stellen sehr kritisch oder einfach anders sehe. Allerdings müsste man gerade beim Kapitel Online-PR noch deutlich tiefer bohren.
Das Buch wurde mir von der UVK Verlagsgesellschaft zur Rezension überlassen. Das * steht für einen Affiliate Link, der zu Amazon führt. Kaufst du über diesen Link ein, bekomme ich einige Cent gut geschrieben. Dir entstehen dadurch keine höheren Kosten.