Ein Leser schrieb uns im Juli: „Erwirbt man als freiwilliges Mitglied der Berufsgenossenschaft nicht auch Anspruch auf eine Rente bei Berufsunfähigkeit nach Unfall oder durch eine anerkannte Berufskrankheit?“ Fit für Journalismus hat nachgefragt bei Stefan Boltz, Pressesprecher bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, dem Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.
Wer ist bei der Berufsgenossenschaft versichert?
Festangestellte Journalisten sind über die Berufsgenossenschaften durch ihre Arbeitgeber pflichtversichert. Freie Journalisten können freiwillig bei der entsprechenden Berufsgenossenschaft eine Unfallversicherung abschließen.
Welche Berufsgenossenschaft ist die richtige?
Wortjournalisten versichern sich in der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Kameramänner können sich in der Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse (BG ETEM) versichern. Fotografen sind in dieser Berufsgenossenschaft pflichtversichert.
Was kostet es, sich in diesen Berufsgenossenschaften zu versichern?
Das kommt erstens auf die Versicherungssumme an, die man wählt. Und zweitens auf die Gefahrenklasse, die für den entsprechenden Job gilt. Man sollte die Versicherungssumme nicht zu niedrig ansetzen, denn das Geld, das man nach einem Unfall bekommt, soll einem beispielsweise helfen, eine Zeit des Verdienstausfalls zu überbrücken. Bei der BG ETEM kostet beispielsweise eine Versicherungssumme von 22.800 Euro für Fotografen im Jahr einen Mitgliedsbeitrag von 321 Euro. Freie Kameraleute zahlen 142 Euro – Stand 2013. Bei den Wortjournalisten zahlt man für eine Versicherungssumme von 60.000 Euro derzeit 143 Euro, der Mindestbeitrag liegt bei 77 Euro.
Kann man wegen Vorerkrankungen oder einem besonders gefährlichen Job abgelehnt werden?
Nein, wir sind eine Sozialversicherung. Bei uns kann sich jeder versichern. Der Auslandsreporter im Krisengebiet genauso wie der freie Fachjournalist in Deutschland.
Erwirbt man Rentenansprüche, wenn man eine Unfallversicherung bei den Berufsgenossenschaften abschließt?
Man erwirbt keine Beitragspunkte wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. In der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten Versicherte dann eine Rente, wenn ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit bleibende Folgen hinterlassen haben. Das gilt auch dann, wenn sich der Versicherungsfall schon kurz nach Abschluss der freiwilligen Versicherung ereignet. Voraussetzung ist, dass die Folgen auch ein halbes Jahr nach dem Unfall noch bestehen und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent bewirken. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist ein abstrakter Wert, der beschreibt, wie stark die Unfallfolgen die Arbeitsmarktchancen der Versicherten beeinträchtigen. Ein konkreter Erwerbsschaden muss also nicht bestehen.
Beispiel: Ein Journalist fährt morgens zu einem Interviewpartner. Er hat einen Autounfall, ist danach querschnittsgelähmt. Als Wortjournalist wird er mittels Spracherkennungssoftware wahrscheinlich seinen Beruf noch ausüben können. Für einen Kameramann wäre das vermutlich unmöglich. Dennoch bekommen beide eine Rente.
In der Regel wird nach der 26. Woche geprüft, wie sehr der Versicherte in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist. Die Höhe der Unfallrente liegt bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 Prozent bei zwei Dritteln der Versicherungssumme pro Jahr. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent bekommt der Versicherte also ein Fünftel dieser zwei Drittel als Jahresrente.
Wie bedeuten die Begriffe „Arbeitsunfall“, „Wegeunfall“ und „Berufskrankheit“?
Berufskrankheiten werden bei Journalisten in der Regel nur selten anerkannt. Anerkennen kann die Berufsgenossenschaft nur Erkrankungen, die in der Berufskrankheitenliste verzeichnet sind. Burnout findet sich in dieser Liste zum Beispiel nicht. Eine Forderung von Fotografen oder Kameramännern, die häufig Rückenkrankheiten durch die schwere Ausrüstung bekommen, kann unter Umständen anerkannt werden. Dabei wird jeder Einzelfall sehr genau geprüft. Denn Rückenleiden können ihre Ursache natürlich auch im Privaten haben.
Von einem Wegeunfall spricht man, wenn der Unfall, also ein plötzliches und von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit eintritt. Unmittelbar bedeutet, dass der Unfall sich nicht auf einem unversicherten Umweg befunden haben darf, zum Beispiel bei einem Abstecher zum Supermarkt. Ausnahme: Man hat die Kinder in die Kindertagesstätte oder zur Schule gebracht oder im Rahmen einer Fahrgemeinschaft einen Kollegen abgeholt. Von einem Arbeitsunfall ist die Rede, wenn der Unfall bei der Arbeit entsteht, beispielsweise jemand an einer offenen Schublade hängenbleibt und stürzt. Versichert ist auch der Gang zur Kantine oder zur Toilette. Was aber hinter beiden Türen geschieht, ist nicht versichert.
Wie lange bekommt der Versicherte die Unfallrente?
Solange der Gesundheitsschaden besteht, gegebenenfalls also bis zum Tod. Noch ein Beispiel: Angenommen, der Wortjournalist behält nach dem Unfall seine Arbeit, so bekommt er zusätzlich zum Lohn die Unfallrente. Der Kameramann muss aber vielleicht umgeschult werden. Er erhält eine Unfallrente, auch wenn wir für ihn eine neue, besser bezahlte Stelle finden.
Wie hilft die Berufsgenossenschaft nach einem Unfall noch?
Die Berufsgenossenschaft ist nach einem Unfall zuständig und steuert die gesamte Heilbehandlung. Sie kann den Versicherten auch in eine andere Klinik verlegen lassen, wenn dort bessere Behandlungsbedingungen gegeben sind. Sie wird auch Geld beisteuern, um gegebenenfalls die Wohnung umbauen zu lassen, wird bei der Suche nach einem neuen Job helfen, und unter Umständen eine Eingliederungshilfe an den neuen Arbeitgeber bezahlen. Die Berufsgenossenschaft zahlt außerdem ein Verletztengeld, was besonders dann wichtig ist, wenn ein Freiberufler nach einem Unfall längere Zeit ausfällt. Und sie bietet den Versicherten kostenlose Präventionsseminare beispielsweise auch zu den Themen Stress- und Zeitmanagement.
Ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung trotzdem wichtig?
Ja. Die gesetzliche Unfallversicherung versichert nur das Arbeitsumfeld. Sie zahlt also nicht, wenn jemand bei einem privaten Ausflug einen Unfall hatte. Auch bei Erkrankungen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, springt sie nicht ein. Wer also einen Herzinfarkt hat oder Krebs, und danach nicht mehr arbeiten kann, bekommt von den Berufsgenossenschaften keine Unterstützung.
Weiterführende Informationen
Seminare bei der VBG
Seminare bei der BG ETEM
Mehr zum Thema Absicherung
Danke für diesen sehr qualifizierten Beitrag Frau Blaß. Was ich gerne noch hinzufügen möchte. Beim Wegeunfall ist ein Versicherungsanspruch (sofern nicht anders vereinbart) auch gegeben, wenn der Arbeitsunfall außerhalb der offiziellen Arbeitszeiten/Öffnungszeiten geschieht. Wichtig ist, wie schon erwähnt, dass der Unfall nciht abseits des versicherten Arbeitswegs stattfindet.
Freundliche Grüße,
Bernhard Klamm
Sehr geehrte Damen und Herren,BK wurde anerkannt rückwirkend 2003, war freiwillig versichert bei BG Verwaltung aber BG Transport muss zahlen. Aber die nehmen meine Versicherungssumme nicht von 50000 Euro weil ich bei Verwaltung versichert war. Habe Widerspruch eingelegt. Habe ich Chance das nach Versicherungssumme berechnet zu bekommen die haben einen Verdienst von 11000 Euro angesetzt im Jahr.
Würde mich über eine Antwort freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Hallo Schroth H,
vielen Dank für deinen Kommentar. Wir sind ja keine Juristen sondern Journalisten, dementsprechend können wir das leider nicht beurteilen. Einen passenden Anwalt findest du über die Datenbank des Deutschen Anwaltvereins. Auf Advogrant.de kannst du auch deinen Fall schildern, dann melden sich gegebenenfalls passende Anwälte bei dir. Über die Qualität dieser Kontaktaufnahme kann ich allerdings nichts sagen, weil ich sie selbst noch nie ausprobiert habe.
Viele Grüße und viel Erfolg
Bettina