Preiskalkulation im freien Journalismus – geht das überhaupt? Viele Medienhäuser geben tatsächlich keinen Verhandlungsspielraum bei den Honoraren. Ob der Freie dann für das vorgegebene Honorar arbeitet, muss er selbst wissen.Klar ist jedoch: Viele Existenzgründer und Freie kalkulieren falsch!
Wer beispielsweise für eine Tageszeitung schreibt, und für einen Artikel 120 Euro bekommt, sollte dafür nicht mehr als zwei Stunden Arbeit investiert haben. Ein Minus macht also, wer vor dem Schreiben noch auf eine Veranstaltung fährt und dort mehrere Stunden zubringt. Anderes Beispiel: Ein Unternehmen bietet einem freiberuflichen Journalisten die Leitung eines Workshops an. Dauer: 5 Tage à 8 Stunden, Stundenpreis 25 Euro. Honorar insgesamt: 1.000 Euro. Reist der Journalist morgens zwei Stunden an und abends wieder ab, ist er für 1.000 Euro die Woche 60 Stunden unterwegs. Hinzu kommen die Zugkosten von in diesem Fall 40 Euro am Tag. Dann bleiben von den 1.000 Euro 800 übrig, etwa 30 Prozent gehen für die Steuer drauf: Rund 650 Euro geteilt durch 60 Stunden machen einen Stundensatz von unter elf Euro. Ob sich das lohnt, muss jeder Freiberufler selbst entscheiden.
Gibt es einen Handlungsspielraum, geht es darum, den richtigen Wert zu treffen: Wer zu viel verlangt, bekommt den Auftrag nicht, kann aber heruntergehandelt werden. Wer zu wenig fordert, bekommt vielleicht den Auftrag, kann aber seine Ausgaben nicht decken. Dazu gehören die Kosten für
- Miete,
- Telefon,
- Versicherung,
- Zinsen und
- Steuern –
- und zum Beispiel für die Zeit, die der selbstständige Journalist benötigt, um einen neuen Auftrag zu akquirieren.
Was kann ich gut?
Allerdings: Nicht jeder hat den Mut einen hohen Preis für seine gute Arbeit zu verlangen. Wer Probleme damit hat, sollte sich überlegen, was er selbst besser als die Konkurrenz macht. Die Antworten auf diese Frage sind gute Argumente in den Verhandlungen mit den Kunden. Manchmal lässt sich die Frage nach dem richtigen Preis auch auf anderer Ebene klären: Entweder ist das Thema oder der Kunde so toll, dass man den Auftrag auf jeden Fall umsetzen möchte – auch wenn’s für einen Hungerlohn ist. Oder der Auftrag ist gut für den Marktwert, beispielsweise, weil es sich um einen renommierten Kunden handelt, oder sich aus dem Auftrag Folgeaufträge entwickeln könnten. Dann sollte man ebenfalls zuschlagen. Aber Achtung: Wer nur solche Aufträge annimmt, kann davon nicht leben. Letztlich kommt es darum auf die richtige Mischung an: Zahlt ein Medium für einen Auftrag, der schnell zu erfüllen ist, ordentliches Geld, kann man damit einen anderen subventionieren, der nicht viel Geld, aber Ehre bringt. Bringt ein Auftrag weder Geld noch Ehre, sollte der Freiberufler ihn ablehnen oder weniger Arbeitskraft als üblich investieren: Manchmal reicht es aus, ein Telefoninterview zu führen. Unter Umständen schlummert auf der Festplatte auch ein ähnlicher Text, der sich schnell umschreiben lässt.
Weitere Infos
Constanze Elter gibt regelmäßig Seminare zum Thema Preisgestaltung.
Vom DJV gibt es eine Broschüre zum Thema Vertragsbedingungen und Honorare für freie Journalisten.
Die wiederholten Hinweise zur „richtigen“ Kalkulation sind natürlich als erster Schritt hilfreich – danke dafür. Dennoch stellt sich mir die dringendere Frage, was sind die „richtigen“ Argumente bei der Preisverhandlung? Sicher hilft es nicht, dem Redakteur, mit dem verhandelt wird, zu sagen, „laut meiner Kalkulation müsste ich aber ein höheres Honorar bekommen“.
Ich habe mehrfach die Erfahrung gemacht, dass das Thema schlussendlich nicht stattfindet oder die Zusammenarbeit eben nicht zustande kommt. Deshalb gelte ich vielen mittlerweile als zu teuer. Obwohl ich eine Nische besetze und mich ganz sicher nicht daran bereichern möchte. Sind Tagessätze für Journalisten von mehr als 400 Euro tatsächlich unverschämt – ernsthaft?! Nur mal so als Hinweis: Webdesigner nehmen 70, 80, 90 Euro – pro Stunde! Das macht rund 600 bis 900 Euro pro Tag. Ist die Arbeit gut ausgebildeter Journalisten tatsächlich so viel weniger wert?
Wenn es also, gerne auch hier, ein paar realistische Tipps zur Verhandlungsführung geben würde, würde das sicher nicht nur mich freuen. Und zwar solche Tipps, mit denen man gerne auch mal an einem Redakteur der Öffentlich-Rechtlichen „vorbeikommt“, der sagt, also „250 Euro ist das Maximum, das wir pro Tag zahlen“ (wohlgemerkt inkl. Umsatzsteuer, für einen Job im Ausland, mehrsprachig, schwieriges politisches Umfeld).